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Buchbesprechung

Methoden und Spiel im Experiment

Rudolf Paulus Gorbach
18. Oktober 2016
Über ein wichtiges Kompendium zur Gestaltung: »Wie können Expe­riment und Methode für die Gestaltung nutzbar gemacht werden? Gerade in diesem Fach­gebiet wird der Begriff ›expe­ri­mentell‹ häufig mit einer gewissen Willkür verwendet«.

So kündigt der Verlag das Buch an und meint damit, dass in Kunst und Gestaltung metho­dische Expe­rimente zu Findungen, Lösungen und Einfällen, also zur Krea­tivität führen, die nicht nur auf Intuition zurück­zu­führen sind.

Betina Müller und Armin Lindauer beziehen sich in ihrem Buch auf ihren einstigen Lehrer an der HdK Berlin, Helmut Lortz. Beide haben auch viel von ihm in ihre jeweilige Lehrtätigkeit übernommen. Das Buch zeigt auf 400 Seiten zahlreiche Beispiele. Doch sind die einführenden und dazwischenliegenden Texte nicht nur wichtig zum Verständnis des Buches, sondern sind darüber hinaus sehr kluger und sachkundiger Erläuterungen zu den Themen.

Die Themen lauten:

  • Basis,
  • Interpretation,
  • Variation,
  • Relation,
  • Sequenz.

Neben Arbeiten der Autoren gibt es viele Beiträge von Studie­renden, aber auch Gast-Beispiele von bekannten Gestaltern und Künstlern.

In der »Basis« zeigt sich bereits, wie mit einfachen Mitteln erstaunliche Ergebnisse entstehen können.

Mit der »Inter­pre­tation« kommen Verfah­rens­techniken ins Spiel, wobei in der »Variation« kreative Verknüp­fungen erfolgen. Wenn mehrere Elemente ein Thema ergänzen, entsteht die »Relation«. Im Kapitel »Sequenz« erreicht man den größten Frei­heitsgrad.

Natürlich ist nicht alles, was als Serie auftritt, schon expe­ri­mentell, worauf die Autoren hinweisen. Im voraus­ge­henden Text beschreiben die Autoren den Entwurf einer Systematik visueller Methoden. Das beginnt mit der Klärung des Begriffs »Expe­riment«, sowohl wissen­schaftlich als auch für die Gestaltung. Das bedeutet auch, dass Wissen­schaft und Gestaltung (oder Kunst) nicht mehr länger auseinander gehalten werden brauchen, sondern sehr viel Gemeinsames haben.

Fakten und Daten müssen erforscht und ermittelt werden, die bild­lichen Vorstel­lungen des Gestalters, die dem eigent­lichen Schöp­fungs­prozess vorausgehen, sind für den Gestal­tenden wesentlich, wobei die eigenen ästhe­tischen Erfah­rungen mit einfließen. Einige Arbeiten werden beispiel­gebend auch in ihrer Methodik beschrieben. Das beginnt mit Künstlern wie Gustave Courbet, Claude Monet, Alexej von Jawlensky, Pablo Picasso, Josef Albers, Bernd und Hilla Becher.

Wer gestal­terisch expe­ri­men­tieren will und zu neuen und guten Ergeb­nissen kommen will, jenseits von platten Vorgaben, der findet hier sehr viele Anre­gungen, um das Feld seiner Möglich­keiten zu erweitern. Und eben einen klugen einfüh­renden Text.

Zur Gestaltung des Buches: Sie ist logisch, die Typo­grafie nimmt sich völlig zurück, hat fast (positiven) Doku­men­ten­cha­rakter. Beim Durchsehen ist das ständige Drehen (die Legenden zu den Seiten stehen immer senkrecht) ergo­nomisch etwas anstrengend. Der schöne, modische offene Rücken   (sehr gutes Blät­ter­ver­halten) entzückt später nicht mehr, denn ich werde das Buch in der Bibliothek kaum mehr finden können. Es sei denn ich gestalte mir ein Rücken­schild. Trotzdem eine groß­artige Sammlung.

Weitere Abbil­dungen auf expe­ri­men­tel­le­ge­staltung.com.

Armin Lindauer, Betina Müller:
Exme­ri­mentelle Gestaltung.
Visuelle Methode und syste­ma­tisches Spiel

424 Seiten mit 3.000 Abbil­dungen
205 × 260 mm,
offene Faden­heftung mit Foli­en­um­schlag
niggli, Zürich, 2015
ISBN 978–3–7212–0912–9
49,80 Euro

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